Maria Mies
Globalisierung
von unten, Widerstand und neue Perspektiven
Als
ich den Titel zu dieser Veranstaltung im Programmheft des Kirchentages las,
fiel mir die Frage eines Studenten in den Studentengemeinden in Frankfurt ein,
wo ich, nach dem Fiasko der WTO in Seattle (Nov.Dez.1999) einen Vortrag hielt
zu dem Thema: "Globalisierung von unten: 30. November -4. Dezember
1999". Dieser Student fragte: "An welcher deutschen Hochschule kann
ich das studieren, was Sie uns heute erzählt haben? Ich musste ihm antworten:
"An keiner. Wenn Sie etwas über diese neue, internationale Bewegung und
die Gründe für ihren Protest erfahren wollen, müssen Sie sich in diesen
inzwischen globalen Widerstand einklinken".
Die Visionen des globalisierten Kapitals
Wenn
wir keine anderen Visionen haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als uns den
Visionen der unendlichen Warenproduktion und Kapitalvermehrung zu unterwerfen.
Diese Vision habe ich vor einigen Jahren in einem Gedicht / Lied festgehalten:
LASSEN SIE SICH PATENTIEREN (vollständiger Text siehe Anhang). Hier einige Verse daraus:
Was da kreucht und fleucht auf Erden,
was da blüht auf dieser Welt
alles muss zur Ware werden.
Alle Ware wird zu Geld.
Die Natur wird überflüssig
Hier in diesem Jammertal.
Unsere Mutter ist Frau Technik,
Vater ist Herr Kapital.
Der
Gott unserer Zeit ist das Kapital, genauer, das patriarchale Kapital. Dieser
Gott ist (angeblich) allmächtig, unsterblich, allwissend und omnipotent,
allgegenwärtig und muss immer wachsen. Er ist die Quelle allen Lebens. Das ist
noch nie so deutlich gewesen wie heute im Zeitalter der konzerngesteuerten,
neoliberalen Globalisierung. Dieser Gott hat nicht nur seine Kirchen, die Banken
und Konzernzentralen, sondern auch seine Priesterschaft und seine Theologen.
Dies sind die Wirtschafts- und Naturwissenschaftler und die Technokraten.
Sie
machen alles, was machbar ist und Geld bringt. Wie jede Religion basiert auch
die der unendlichen Geldvermehrung auf einem Credo, an das man glauben muss,
selbst dann wenn unsere ganze Erfahrung uns sagt, dass das nicht stimmt. Das
Credo des Neoliberalismus - auch Washington Consensus genannt - lässt sich kurz
so zusammenfassen: Globaler Freihandel schafft Wachstum. Wachstum schafft
Arbeitsplätze und Wohlstand für alle, die Voraussetzung für Gleichheit,
Freiheit, Demokratie und Frieden.
Dass
dieses Credo heute von so vielen Menschen geglaubt wird, liegt u. a. daran,
dass das Volk im Dunklen gelassen wird über das, was globaler Freihandel und
Institutionen wie die WTO, die Weltbank, und der IWF im Dienste der Konzerne
heute weltweit anrichten. Viele der gewählten Volksvertreter sind häufig nur
noch bloße Lakaien der Konzerne. Auch in den Medien waren bis vor kurzem kaum
kritische Worte zu Freihandelsabkommen wie dem MAI, zu NAFTA, zu FTAA zur EU
und zur neoliberalen Globalisierung zu finden. Auch aus den deutschen
Hochschulen kam keine Kritik und Aufklärung, als das MAI verhandelt wurde oder
die WTO-Ministerrunde 1999 bevorstand.
Was heißt Globalisierung?
Die
Bevölkerung in Deutschland wusste so gut wie nichts über die zentralen Abkommen
und Institutionen, die doch seit mindestens Anfang der neunziger Jahren unsere
Wirtschaftspolitik bestimmen: das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT),
das 1995 in der Welthandelsorganisation (WTO) verankert wurde, die Folgen der
Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds
und anderer Freihandelsabkommen (NAFTA, EU, APEC, ). Die Medien befassen und
befassten sich monatelang, ja jahrelang mit verschiedenen Skandalfällen
einzelner PolitikerInnen. Und die Hochschullehrer? Die so genannten
Achtundsechziger unter ihnen waren und sind fast seit einem Jahr mit ihrer
nostalgischen Rückschau auf ihre Vergangenheit beschäftigt.
Jedenfalls
sind sie in Deutschland (anders als in Kanada, den USA, Frankreich) unter den
AktivistInnen der internationalen Protestbewegung gegen die neoliberale
Globalisierung nicht zu finden. Es hat hier bis heute keine offene, breite
Diskussion im Parlament und in der Öffentlichkeit über diese Freihandelspolitik
stattgefunden. Was dagegen herrscht, ist ein völlig nebulöser Begriff der
Globalisierung.
Wenn
Sie heute fragen, was denn Globalisierung eigentlich bedeutet, bekommen Sie die
abenteuerlichsten Erklärungen zu hören: globale Vernetzung durch das Internet,
die zu einem "globalen Dorf" führe, Begegnung der Kulturen,
Verbreitung von Demokratie, Freiheit, Gleichheit und schließlich Ewiger Friede.
Die multinationalen Konzerne werden nicht müde, diese neue Sozialutopie als
Resultat ihrer FREIHANDELSPOLITIK zu predigen. Doch die kürzeste und meiner
Meinung nach korrekteste Definition des Begriffes Globalisierung wurde von dem
Verwaltungspräsidenten einer der größten transnationalen Firmengruppen, der
ASEA BROWN BOVERY (ABB) Gruppe, Percy N. Barnevik gegeben: "Ich würde
Globalisierung als die Freiheit für meine Gruppe von Unternehmen definieren, zu
investieren, wo und wann sie will, zu produzieren, was sie will, zu kaufen und
zu verkaufen, wo sie will, und die möglichst geringsten Restriktionen zu
unterstützen, die aus Arbeitsgesetzen und sozialen Übereinkünften
resultieren" (zit. Im TAGESANZEIGER, 15.1.2001).
Dieser
Definition ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Die Regierungen fast aller
Länder der Welt, gleichgültig, ob sie sich als konservativ/liberal oder
sozialistisch/sozialdemokratisch oder grün/sozialdemokratisch verstehen, haben
die Wirtschaftspolitik ihrer Länder wie auf einem Tablett den Transnationalen
Konzernen, den sog. Global Players überreicht, damit diese im Sinne der obigen
Definition ungehindert durch nationale oder internationale Gesetze und
Übereinkünfte ihr Wachstum und ihren Profit fördern können.
Viele
Leute fragen immer wieder, mit welchen Begründungen denn die gewählten
Volksvertreter vor etwa 10-15 Jahren diese neoliberale , konzerngesteuerte
Globalisierungspolitik ohne Wenn und Aber und ohne eine öffentliche Diskussion
durchgesetzt haben. Eine Frage auf die ich bis heute noch keine schlüssige
Antwort habe.
Die
oberflächlichsten Erklärungen kommen von den Global Players selbst. So sagte
Frau Thatcher 1979, als sie englische Wirtschaftspolitik nach den Lehren des
Neoliberalismus umstrukturierte - das war noch vor dem Fall der Berliner Mauer
- : THERE IS NO ALTERNATIVE - TINA. Seither leiden die meisten Regierungen und
auch die meisten BürgerInnen unserer Länder unter dem TINA-Syndrom: Es gibt
keine Alternative. Dieser Glaube wurde nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems
noch verstärkt.
Herr
Henkel, ehemaliger Vorsitzender des BDI schrieb in einem Streitgespräch des
GREENPEACE MAGAZINS (Greenpeace Magazin Mai 2001): "Der Widerstand gegen
die Globalisierung ist zwecklos und kontraproduktiv. Zwecklos, weil man sie
nicht aufhalten kann. Wenn es draußen heiß ist, gehe ich ja auch nicht trotzig
mit Schal und Wollmütze vor die Tür und beschwere mich über die Hitze."
Also,
die Globalisierung ist wie das Wetter. Sie ist da und wird bleiben. Andere
sagen, die Globalisierung sei wie die Schwerkraft. Hier einige der gebräuchlichsten
Metaphern: Der ungehinderte globale Freihandel schafft ein "ebenes
Spielfeld". Wenn große und kleine Firmen ungehindert durch staatliche
Regelungen überall miteinander konkurrieren können, dann entsteht, im Sinne des
Vaters des Liberalismus, Adam Smith, das größte Wohl für alle.
Oder,
in Abwandlung des bekannten Trickle-Down Arguments: Wenn die Flut steigt, dann
steigen nicht nur die Luxusjachten, sondern auch die kleinen Fischerboote. Die
Vision des globalisierten Kapitalismus ist demnach, dass es keine Vision mehr
gibt, dass man sich - pragmatisch - den gegebenen Sachzwängen, wie der
Schwerkraft unterwerfen müsse. TINA. Doch TINA beruht nicht auf
wissenschaftlichen Erkenntnissen, sondern stellt in Wirklichkeit ein Glaubenssystem
dar. Das hat niemand deutlicher formuliert als Herr Maucher, der Chef von
Nestlé und Präsident des Internationalen Handelstages. Er sagte:
"Tatsächlich kann man ja keinem normalen Menschen mehr erklären, dass
jeden Tag die Aktienkurse steigen und gleichzeitig mehr Leute auf die Strasse
gesetzt werden. Nur, wahr bleibt auch: Wettbewerbsfähigkeit ist am Ende die
sicherste Methode, Arbeitsplätze zu schaffen - auch wenn der Weg dahin manchmal
rau ist." (zit. In Mies/v.Werlhof 1998 S. 166).
Es
geht also um Glauben: ohne Wettbewerb keine Investition, ohne Investitionen
keine Arbeitsplätze. Obwohl die tägliche Erfahrung uns zeigt, dass diese
Behauptungen nicht stimmen, sollen wir daran glauben. Also: Credo quia
absurdum.
Der Washington Consensus
Das
Credo des Neoliberalismus wurde 1989 von dem amerikanischen Ökonomen Williamson
in 10 Glaubenssätzen niedergeschrieben, die als WASHINGTON CONSENSUS bekannt
wurden. Dieser Washington Consensus versprach allen Regierungen, vor allen
denen der armen Länder, dass alle ihre Probleme gelöst werden würden, wenn sie
als zentrales Ziel der Wirtschaft die Regeln des globalen Freihandels
akzeptieren würden, nämlich:
1. Wichtigstes Ziel der
Wirtschaft ist Wachstum. Wachstum schafft Arbeitsplätze, Reichtum, Entwicklung,
Gleichheit, Demokratie.
2. Ökonomische Globalisierung: Alle Grenzen müssen für den globalen Verkehr von
Waren, Dienstleistungen, Kapital, Investitionen geöffnet werden.
3. Privatisierung
4. Deregulierung (Liberalisierung): Regeln und Gesetze, die diesen Freihandel
behindern, müssen dereguliert werden,
5. Globaler Freihandel; nicht lokale Produktion ist die Quelle des Reichtums,
6. Einschränkung der Rolle des Staates, vor allem in der Wirtschaft,
7. Senkung der Steuern für Unternehmer
8. Einschränkung der Staatsausgaben, z.B. für Gesundheit, Bildung, Soziales
usw.
9. Ungehinderte Konkurrenz aller gegen alle zur Ankurbelung der Leistung
10. Liberalisierung des globalen Freihandels.
Nicht
nur die Regierungen der armen Länder haben diesen Washington Consensus
akzeptiert. Die meisten von ihnen wurden dazu allerdings durch die Weltbank und
den IWF und seine SAPS gezwungen. Wer Kredite der Weltbank haben wollte, musste
die Wirtschaft nach den obigen Regeln umstrukturieren. Doch auch die
Regierungen der reichen Länder, ihre Medien und ihre Universitäten haben den
Washington Consensus wie ein Naturgesetz akzeptiert - TINA. Warum ? Ein Grund:
Viele unserer Konsumgüter wurden billiger. Ein zweiter: Immer mehr Menschen
wurden in die Logik der Kapitalakkumulation durch Aktienbesitz eingebunden,
selbst Studenten. Ich
frage Sie nun, wo soll in dieser versteinerten TINA- Situation in den
Hochschulen eine andere Sozialutopie entstehen, wenn der einzige Wert der
Shareholder Value ist?
Der Abfall vom Glauben an das neoliberale Credo
Ehe
es wieder zu anderen Visionen kommen kann, müssen zunächst viele Menschen in
vielen Ländern vom Glauben an die Verheißungen des globalen Freihandels
abfallen. Dieser Abfall vom Glauben ereignet sich jedoch, wie wir inzwischen
wissen, nicht zuerst in den Elfenbeintürmen der Hochschulen. Nicht einmal
jetzt, wo doch die WTO- in Rahmen des globalen Abkommens über den Handel mit
Dienstleistungen - GATS - dabei ist, den gesamten Bildungssektor von den
Grundschulen bis zu den Universitäten in ihren Mitgliedsländern, zu deregulieren,
zu globalisieren und vor allem zu privatisieren, hören wir etwas von Aufstand
und Widerstand gegen diese Politik in den deutschen Hochschulen. Claudia von
Werlhof geht in ihrem Beitrag auf diese merkwürdige Paralyse der VertreterInnen
des "Geistes" ein. Darum ist die Fragestellung dieser Veranstaltung
auch falsch. Nicht Visionen sind "impossible", sondern Visionen
ausgehend von akademischen Einrichtungen, die sich dem Credo des
Neoliberalismus unterworfen haben.
VISIONEN ERWACHSEN AUS WIDERSTAND.
Der
Abfall vom Glauben und die Entwicklung einer neuen Vision und Hoffnung
entstehen nicht, wie der Titel dieser Veranstaltung suggerieren mag, in
wissenschaftlichen Diskursen im geschützten Raum von Hochschulen und
akademischen Zeitschriften. Diese Umkehr ereignet sich im Protest auf den
Strassen gegen die angeblich so übermächtigen Global Players, ihre
Institutionen und Abkommen. Der Widerstand richtet sich auch direkt gegen die
Großkonzerne und Großbanken selbst, die die Gewinner dieser neoliberalen
Politik sind. Er richtet sich auch gegen die Regierungen, die ihr Mandat nicht
mehr zum Wohl des Volkes ausüben, sondern zu Lakaien der Global Players
geworden sind. Nirgendwo wird das deutlicher als bei den Versuchen, die vom
GATS geforderte Privatisierung und Liberalisierung der öffentlichen
Dienstleistungsbereiche (Bildung, Gesundheit, Wasser, Verkehr, Banken,
Versicherungen u.a.) voranzutreiben.
Maude
Barlow, vom Council of Canadians sagte bei der Protestveranstaltung gegen das
Weltwirtschaftsforum in Porto Allegre im Januar 2001,
das eigentliche Ziel von GATS sei es, die Fähigkeit der Regierungen überall
dramatisch oder ganz zu beschneiden, irgendwelche Gesetze im Interesse der
Bürger zu erlassen, übrig bliebe nur noch die polizeiliche Kontrolle der
Bürger. Bei den Protestveranstaltungen seit Seattle (1999) in Washington,
Melbourne, Prag, Nizza, Davos, Quebec konnte dieser Prozess der
Kriminalisierung des internationalen Widerstandes schon beobachtet werden.
Immer mehr Polizisten und selbst Streitkräfte mussten die Regierungsvertreter
und Global Players vor dem Protest des Volkes schützen. Und immer mehr Menschen
beginnen zu fragen, wogegen sich denn dieser wachsende Protest richtet. Es ist
heute nicht mehr möglich, ihn lediglich einer Handvoll von jungen Randalierern
zuzuschreiben.
Der Washington Consensus ist zusammengebrochen
Spätestens
im November 1999 wurde bei der dritten Ministerrunde der WTO in Seattle klar,
dass viele Bürgerinnen den Versprechungen der neoliberalen Globalisierer nicht
mehr glauben, sondern sie für Betrug hielten. Durch zahlreiche empirische
Untersuchungen war erwiesen, dass die Realität nach 10 - 20 Jahren
neonliberaler Politik anders aussah. als der Washington Consensus. Von
"ebenem Spielfeld" war keine Rede. Die Kluft zwischen Arm und Reich
war zwischen den Ländern und innerhalb der Länder größer als je zuvor.
Nach
zehn Jahren globaler Freihandelspolitik hat sich herausgestellt, dass die
unbeschränkte Freiheit und extrem gestiegener Reichtum einiger Personen und
Konzerne erkauft wurde mit zunehmender Unfreiheit und wachsender Armut der
meisten Menschen in der Welt. Diese Kluft ist seit den achtziger Jahren nicht
nur zwischen reichen und armen Ländern wie nie zuvor gewachsen, sondern auch
innerhalb der reichsten Länder der Welt: USA, England, Deutschland. Inzwischen
geben selbst UNO-Organisationen und selbst die Weltbank zu, dass die Kluft
zwischen Reich und Arm durch die weltweite Freihandelspolitik in den
vergangenen Jahren enorm gewachsen ist.
Hier
einige Zahlen: 1997 war im Jahresbericht der UNCTAD zu lesen, dass "die
Globalisierung in ihrer jetzigen Form verantwortlich ist für einen dramatischen
Anstieg der Ungleichheit in der Welt. 1965 war das persönliche
Durchschnittseinkommen in den G7 Ländern, den reichsten sieben Ländern, 20 Mal
so hoch wie das in den sieben ärmsten Ländern der Welt. 1995 war diese
Differenz 35 Mal größer. Auch innerhalb der Länder wächst die Kluft zwischen
den Einkommen und die Polarisierung. Der Anteil am Reichtum, der von den oberen
20 Prozent der Bevölkerung eingesackt wird, ist in den meisten Ländern seit
1980 gestiegen. Und die USA? In den achtziger Jahren erhöhten die oberen zehn
Prozent der amerikanischen Familien ihr Einkommen um 16 %, die oberen fünf
Prozent um 23 %. Doch das alleroberste ein Prozent hatte ein Einkommenswachstum
um 50%. Demgegenüber sanken die Einkommen der 80 Prozent auf den unteren Rängen
der Gesellschaft. Die untersten zehn Prozent der Bevölkerung verloren 15 %
ihrer bereits mageren Einkünfte. Sie sanken von 4.113 Dollar im Jahr auf 3.504
Dollar.
Das
amerikanische Institute for Policy Studies hat nachgewiesen, dass die
Durchschnittslöhne in den USA seit 25 Jahren um 10 Prozent gesunken sind. Der
Reichtum der 475 Milliardäre der Welt ist gleich dem Einkommen von 50 % der
Weltbevölkerung. Von den 100 größten Ökonomien der Welt sind 52 Konzerne. Nur
48 sind Länder. Ähnlich sieht die Entwicklung in England und auch in
Deutschland aus, wie der kürzlich veröffentlichte Armuts- / Reichtumsbericht
nachweist.
In
der Dritten Welt ist die Kluft zwischen den Globalisierungsgewinnern und den
Globalisierungsverlierern natürlich noch dramatischer. Denn hier bedeutet
Globalisierung für viele Menschen einfach, dass ihr Überleben bedroht ist. Das
Eindringen großer multinationaler Konzerne in die Landwirtschaft dieser Länder
konkurriert die Kleinbauern zugrunde. Die Lieferung von Agrarüberschüssen aus
den USA und der EU in diese Länder zu Schleuderpreisen vernichtet Millionen von
Kleinbauernexistenzen, die aber dann auch keinen alternativen Arbeitsplatz in
der Industrie finden. Die Gentechnik gekoppelt mit den WTO-Bestimmung über den
Schutz des Intellektuellen Eigentums und die neuen Patentrechte enteignen die
Menschen in der Dritten Welt ihres traditionellen Wissens, machen dieses Wissen
zum Privateigentum einiger Konzerne die dann neue Produkte auf den Markt
bringen und Riesenprofite machen. Gleichzeitig wird die biologische Vielfalt
dieser Länder durch die Monokultur zerstört, die diese Agrarmultis in diese
Länder einführen.
Die
ökologischen und sozialen Folgen der Globalisierung der Wirtschaft haben in
Indien zu ganzen Epidemien von Selbstmorden von Bauern geführt, die zunächst
den Versprechungen des Agrobusiness geglaubt haben, z. B. dass gentechnisch
manipulierte Baumwolle produktiver sei. Der Anbau dieser Baumwolle war eine
einzige Katastrophe, viele Bauern machten Bankrott und sahen nur noch einen
Ausweg im Selbstmord. Es sind jedoch nicht nur die Regeln des durch die WTO
geschützten Freihandels, der Millionen von Bauern weltweit in den Ruin, in die
Verzweiflung und in den Selbstmord treiben. Auch die
Strukturanpassungsprogramme der Weltbank und des IWF, die den verschuldeten
Ländern aufgezwungen werden haben ähnliche Folgen. Die Regierungen dieser
Länder müssen ihre öffentlichen Ausgaben für Schulen, das Gesundheitswesen und
andere soziale Aufgaben reduzieren. Sie müssen ihre Tore für Importe und
Investoren aus den reichen Ländern öffnen, was meist zum Ruin kleiner
einheimischer Betriebe führt. Sie müssen oft ihre Währung abwerten, die Löhne
der Arbeiter müssen gesenkt werden, staatliche oder halbstaatliche Betriebe
müssen privatisiert werden, die Landwirtschaft muss auf Exportproduktion
umgestellt werden.
In
einem Bericht über Tansania ist zu lesen, dass 1980 noch 80% der Kinder zur
Grundschule gingen, heute sind es nur noch 50 Prozent. Das Pro-Kopf-Einkommen
war in den siebziger Jahren 309 US Dollar, nach Einführung der SAPs sank es auf
160 Dollar. Die Regierung gibt nur noch 1 Prozent ihres Budgets für das
Gesundheitswesen aus (Mies 2001). Wer wagt nach solchen Berichten noch zu
sagen, dass die Politik der Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung
ein Segen sei? Dass sie ein "ebenes Spielfeld schaffe"?
Das Ende der Demokratie, weitere Zerstörung der Umwelt, Bedrohung der
Gesundheit, Erodierung der Arbeiter- und Sozial- und Menschenrechte und einer
Wirtschaftspolitik im Dienste der Menschen.
Den
Menschen, die in Seattle, Prag, Washington, Nizza und Davos auf die Strasse
gingen, war klar, dass Globalisierung, Liberalisierung, Privatisierung (GLP)
nicht nur die Kluft zwischen den Reichen und Mächtigen innerhalb und zwischen
den Ländern verbreitet hat, sondern dass auch die in mehreren Jahrhunderten
erstrittenen Arbeiter-, Sozial- und Menschenrechte auf der Strecke blieben,
dass der Schutz und die Bewahrung der Schöpfung dem ungehinderten Profitstreben
nachgeordnet würde, dass alles und jedes auf dieser Erde nur noch als Ware
gesehen würde, Ware, die nur der weiteren Akkumulation von Kapital dienen soll
und vor allem, dass das, was wir bisher noch unter Demokratie verstehen, mit
dem globalen Freihandel nicht zu vereinbaren ist.
"Globaler
Freihandel und Demokratie sind wie Feuer und Wasser" schrieb sinngemäß
1998 John Gray, der ehemalige Berater von Margaret Thatcher. "Diejenigen,
die einen freien Weltmarkt wollen, haben immer darauf bestanden, dass das
legale Rahmenwerk, das ihn definiert und verankert außerhalb der Reichweite
jedweder demokratischer Legislative platziert ist. Souveräne Staaten können
zwar Mitglieder in der WTO werden; aber es ist diese Organisation und nicht die
Legislative irgendeines souveränen Staates, die bestimmt, was als freier Handel
gilt und was als Handelshemmnis" (Gray 1998).
Transnationale
Konzerne können sich nicht global und "frei" entfalten, wenn die
Gefahr besteht, dass die Wirtschaftspolitik der Länder, in denen sie operieren,
eventuell alle 4 Jahre durch die Wahlentscheidung der Bürger geändert wird. Die
und nichts anderes ist der Grund für die Schaffung von Institutionen wie die
WTO und von Abkommen wie das von Amsterdam (EU), NAFTA, GATS, AoA, TRIPs, und
vielen anderen Freihandelsabkommen. Einmal geschaffen sind sie quasi immun
gegen demokratische, parlamentarische Veränderungen.
Die
Zerstörung demokratischer Grundlagen war und ist darum einer der
Hauptkritikpunkte der Protestierer auf den Strassen von Seattle, Prag, Nizza,
Davos, Quebec und demnächst in Genua. Die Geheimhaltungspolitik, die die
Verhandlungen aller dieser Abkommen umgibt, ihr Mangel an Transparenz und
Bürgerpartizipation sind darum nicht "Fehler", die durch gewisse
Reformen behoben werden können, sondern gehören zu den Strukturelementen der
globalen, konzerngesteuerten Freihandelspolitik. Wer das eine will (z.B.
Demokratie) kann das andere nicht haben (z.B. globalen Freihandel)
DIE NEUE VISION: EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH.
Die
Erkenntnisse, dass die Versprechungen des neoliberalen Globalismus Betrug sind,
erwuchsen nirgendwo hauptsächlich im geschützten Raum akademischer Diskurse,
sondern in lokalen, nationalen und internationalen Widerstandsaktionen, in dem,
was ich die GLOBALISIERUNG VON UNTEN genannt habe (Mies 2001). Den
GlobalisierungsgegnerInnen wird jedoch fast immer die Frage gestellt: Wenn ihr
gegen den globalen Freihandel seid, welche andere Wirtschaft und Gesellschaft
schlagt ihr dann als Alternative vor? Womit wir bei den Visionen sind.
Die
Antwort auf diese Frage fängt überall damit an, dass die Menschen das
TINA-Syndrom zurückweisen, dass sie aufhören, zu glauben, dass es keine
Alternative gibt. Viele der Slogans in Seattle, Prag und den anderen
Gegengipfeln machen diese Zurückweisung deutlich: z. B. People and the Planet
over Profit, oder: Die Welt ist keine Ware, oder EINE ANDERE WELT IST MÖGLICH
(Porto Allegre 2001). Die Via Campesina, das internationale Netzwerk
oppositioneller Bauernbewegungen formulierte den Slogan: Globalise Resistance,
Globalise Hope (Mies 2001).
Genau
darum geht es, die weltweite Protestbewegung gegen eine Wirtschaftspolitik, die
Wachstum und Profit über alles stellt, ist gleichzeitig der Anfang der
Hoffnung, dass eine andere Welt möglich ist. Ohne Hoffnung keine Vision. Obwohl
sich die neue, weltweite soziale Bewegung gegen die Globalisierung aus
verschiedenen Initiativen, Interessensgruppen, Traditionen und Kulturen
zusammensetzt, obwohl sie keiner einheitlichen Ideologie folgt, hat sie doch so
etwas so etwas wie eine gemeinsame Vision. Diese Vision fängt überall damit an,
dass die Menschen die Kontrolle über ihre unmittelbaren Lebensbedingungen
wieder zurückfordern. Sie akzeptieren nicht mehr, dass über ihr Essen, ihre
Luft, ihr Wasser, die Krankenversorgung, die Schulen, die Umwelt, den
Personennahverkehr, und viele andere Bereiche ihres unmittelbaren Lebens in
irgendwelchen Chefetagen ferner multinationaler Konzerne oder von Bürokraten in
Brüssel oder in Genf im Namen von Abkommen, die sie nicht kennen, entschieden
wird.
Diese
Vision ist jedoch nicht, wie einige akademische Kritiker meinen, nur ein
Pfeifen im Walde oder eine hilflose und konzeptionslose Selbstüberschätzung.
Sie basiert auf einer genauen Kritik der Zustände, die von den Globalisierern
wie eine Naturgewalt hingestellt werden. Sie weist an vielen Beispielen nach,
dass diese Zustände "gemacht" wurden, an bestimmten Orten, zu
bestimmten Zeiten und von bestimmten Akteuren (vgl. u.a. George, Balanya et
al., Chomsky) Sie sind weder Zufall, noch notwendig. Und was von Menschen
gemacht wurde, kann auch von Menschen geändert werden. Das ist die
wesentlichste Einsicht für jede Vision einer anderen Gesellschaft.
Das
zweite, was zu dieser Vision zu sagen ist, ist, dass es nicht DIE Alternative
zu der herrschenden Weltunordnung gibt, sondern dass sich viele Menschen in
vielen Initiativen und Organisationen in den verschiedenen Ländern der Welt
Gedanken über eine andere Wirtschaft, Gesellschaft und Politik machen. Und das
ist gut so. In meinem Buch GLOBALISIERUNG VON UNTEN habe ich im Schlusskapitel
mehrere dieser Alternativvorstellungen oder Perspektiven vorgestellt. Hier kann
ich nur auf einige eingehen.
Das
dritte, was diese neuen Perspektiven auszeichnet, ist, dass sie nicht bloße
Utopien im Sinne von Wunschbildern sind, sondern dass sie schon überall auf der
Welt in die Praxis umgesetzt werden, in größeren oder kleineren
polit-ökonomischen und sozialen Projekten und Bewegungen. Das wurde vor allem
in Porto Allegre (Südbrasilien) deutlich, wo sich im Januar 2001 die
GegnerInnen der konzerngesteuerten Globalisierung auf dem Weltsozialgipfel
gegen das Weltwirtschaftsforum in Davos trafen. In Davos trafen sich die Global
Players und ihre Lakaien. In Port Allegre trafen sich die KritikerInnen der
neoliberalen Globalisierung. Ihr Slogan war und ist: Eine andere Welt ist
möglich. Doch warum Porto Allegre? Weil Porto Allegre in den Augen all derer,
die eine andere Welt für möglich halten, seit einigen Jahren als emblematische
Stadt gilt...
Seit
zwölf Jahren wird Porto Allegre von einer Linkskoalition unter Führung der
Arbeiterpartei (PT) regiert. Die Stadt hat in vielen Bereichen - Wohnungswesen,
Personennahverkehr, Straßenreinigung, Müllabfuhr, ambulante und stationäre
Krankenversorgung, Kanalisation, Umwelt, sozialer Wohnungsbau,
Alphabetisierung, Schulbau, Kultur, öffentliche Sicherheit, und vieles mehr
spektakuläre Fortschritte vorzuweisen. Das Geheimnis dieses Erfolgs ist das
Mitbestimmungsbudget, das heißt, die BewohnerInnen der verschiedenen
Stadtviertel können konkret und demokratisch über die Verwendung der
Gemeindegelder bestimmen. In ihrer Hand liegt die Entscheidung darüber, welche
Bereiche der Infrastruktur geschaffen oder verbessert werden. Und sie haben die
Möglichkeit, den Fortgang der Arbeiten und die Finanzierung aus nächster Nähe
zu beobachten. Weil damit die Veruntreuung öffentlicher Gelder oder
Amtsmissbrauch unmöglich gemacht werden, entsprechen die Investitionen ziemlich
genau den mehrheitlichen Wünschen der Stadtbevölkerung" (Ignacio Ramonet,
2001).
Wenn
sich die Stadt Berlin nach ihrem Finanzdebakel von dem Beispiel Porto Allegre
inspirieren ließe, wenn man dort eine Vision jenseits des neoliberalen Modells
hätte, dann fiele den Leuten vielleicht auch noch eine andere Alternative zu
ihrem Bankrott ein als nur die Privatisierung aller öffentlichen Einrichtungen.
Ein entscheidender Punkt mehrerer dieser Perspektiven ist die Konzentration auf
die lokale oder regionale Ökonomie. Die KritikerInnen des Globalismus sind sich
klar darüber, dass eine ökonomische und politische Kontrolle über unsere
unmittelbaren Lebensbedingungen nur in kleineren Wirtschaftsräumen möglich ist,
in denen die Menschen noch, wie in Porto Allegre tatsächliche demokratische
Mitwirkung bei der Gestaltung der öffentlichen Dinge haben können.
Auch
diese Perspektive ist keine bloße Utopie, sondern wird z. B. von den Grünen in
England, zusammen mit einigen NROS wie ISEC bereits ausprobiert. Ausgelöst
wurde diese Bewegung dort vor allem durch den BSE -Skandal. Die Menschen wollen
wissen, was sie essen, sie verlangen Nahrungssouveränität. Von Mai bis Juli
2001 finden in vielen Städten Märkte statt, wo neben Aufklärungscampagnen über
den Slogan: "Lokal Food for global Prosperity" lokale Produkte
verkauft werden. Die englischen Grünen haben eine breitere Kampagne gestartet,
die den Titel hat: PROTECT THE LOCAL GLOBALLY (SCHÜTZEN WIR DIE LOKALE
WIRTSCHAFT, ABER ÜBERALL). Colin Hines, einer der Vertreter dieser Richtung im
Europaparlament sagt, nur eine solche Politik der Lokalisierung könne
verhindern, dass sich in Europa weiterer Fremdenhass ausbreitet, weil überall
die "Heimat" und lokale Lebensmöglichkeiten zerstört würden.
Die Subsistenzperspektive
Als
Ökofeministin bin ich mit vielem, was Colin Hines und seine FreundInnen in
England propagieren und praktizieren einverstanden: Regionalisierung,
Ökologisierung, Lokalisierung, neuer Internationalismus, neue, partizipative
Demokratie usw. Doch bei fast allen neuen Alternativentwürfen gegen den
neoliberalen Globalismus fehlt ein Punkt, der für uns Feministinnen
entscheidend ist. Wir können keine Vision einer anderen, besseren Welt
akzeptieren, bei der das patriarchalische Mann-Frau-Verhältnis nicht
revolutioniert wird. Wir sehen dieses Verhältnis nicht nur als Analogie zu dem
Verhältnis Mensch-Natur sondern als strukturelle Grundbedingung für das
Funktionieren des neoliberalen, wachstumsbesessenen Kapitalismus. Ohne
Patriarchat keine unendliche Kapitalakkumulation! Dieses Verhältnis ist durch
bloße Gleichstellungspolitik nicht zu verändern, denn es nützt nichts, wenn
Frauen "gleichberechtigt" das machen, was Männer heute in diesem
System machen. Das System als Ganzes muss geändert werden.
Wir
schlagen für diese notwendige Veränderung das vor, was wir die
Subsistenzperspektive nennen: Sie bedeutet als erstes, dass Menschen einen
anderen Begriff von "GUTEM LEBEN" zurückgewinnen als den, den das
Kapital ihnen anbietet: nämlich viel Geld und volle Supermärkte, dass nicht
mehr die Warenproduktion und die unendliche Geldvermehrung, was man früher
Chrematistik nannte, im Mittelpunkt aller gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Aktivitäten stehen, sondern die unmittelbare LEBENSPRODUKTION,
oder auch die SUBSISTENZPRODUKTION. An dieser Subsistenzproduktion müssen sich
Männer wie Frauen zu gleichen Teilen beteiligen.
Wie
bei den anderen Perspektiven hat auch die Subsistenzperspektive schon begonnen.
In Ländern des Südens, wie des Nordens, in der Stadt wie auf dem Land. In
unserem Buch: EINE KUH FÜR HILLARY. DIE SUBSISTENZPERSPEKTIVE (München 1997)
berichten wir über viele Beispiele, wo und wie Menschen angefangen haben, aus
dem Wahnsinn, der Armseligkeit und der Würdelosigkeit der bloßen, sinnlosen
Erwerbsarbeit und der sinnlosen Kapitalakkumulation auszusteigen.
Denn
die Subsistenzperspektive ist nicht nur wünschenswert, sie ist notwendig. Das
gilt nicht nur für Länder und Gesellschaften, die Opfer der neoliberalen
Raubzüge wurden, (die Länder des Südens und des ehemaligen Sowjetblocks)
sondern auch für die Zentren des globalen Kapitalismus. Die BSE Krise hat mehr
als alles andere deutlich gemacht, dass wir nur kleineren, ökologisch
orientierten Wirtschaften so etwas wie Nahrungssouveränität haben können. Doch
dies ist sozialverträglich nur dann möglich, wenn die Kosten nicht auf Frauen und
andere "Minderheiten" abgeschoben, "externalisiert" werden.
Subsistenz
bedeutet "Freiheit IN der Notwendigkeit", nicht Überwindung
(Transzendenz) des Reiches der Notwendigkeit. Dies setzt ein anderes Naturverhältnis
voraus als das uns bekannte Herrschaftsmodell. Es bedeutet Frieden mit und in
der Natur. Vandana Shiva berichtet über eine indische Bewegung zum Erhalt der
biologischen und kulturellen Vielfalt, die sich JAIV PANCHAYAT -
Lebensdemokratie - nennt. Zu dieser Lebensdemokratie gehören nicht nur alle
Menschen, Frauen, Männer Kinder, sondern auch die Büffel, Kühe, Ziegen, Schlangen,
Bäume, Kräuter, kurz, die ganze Natur. Menschen sind nur Statthalter und
Bewahrer dieser Vielfalt (Shiva in Infobrief 5 2001).
Subsistenz
bedeutet vor allem Frieden zwischen den Geschlechtern. Aber dieser Friede setzt
die Überwindung patriarchaler und kapitalistischer Herrschaft voraus. Er kann
nicht durch die Anpassung der Frauen "nach oben" (Gleichstellung,
heute: Gender Mainstreaming) erreicht werden, sondern nur durch die
Umorientierung von Männern und Frauen nach einem anderen Modell des "guten
Lebens".
Subsistenz
bedeutet nicht Armut und Rückschritt, sondern Fülle und einen neuen
Internationalismus, der auf Gegenseitigkeit, neuen Gemeinschaften und neuen
gesellschaftlichen Verhältnissen beruht (Bennholdt-Thomsen/Mies 1997,
Bennholdt-Thomsen et al. 2001). Als Slogan für diese Perspektive haben wir das
Motto brasilianischer Landarbeiterinnen gewählt, die 1992, vor dem Rio-Gipfel
während eines Workshops feststellten, dass sie und die Natur es waren/sind, die
all den Reichtum schufen und nicht die ausländischen Konzerne: ES LEBE DIE
FÜLLE!
Köln, 11.6.2001 (Copyright Maria Mies)
LITERATUR:
·
Bennholdt-Thomsen, Veronika /
Maria Mies: Eine Kuh für Hillary. Die Subsistenzperspektive, Frauenoffensive,
München 1998
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Bennholdt-Thomsen, Veronika,
Nicholas Faraclas, Claudia v. Werlhof (eds.): There is an Alternative. Subsistence
and worldwide resistance to corporate Globalisation, Zed Books, London 2001
·
Gray, John: False Dawn. The
delusions of global Capitalism, Granta Books,
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Mies,
Maria / Claudia von Werlhof 1998: Lizenz
zum Plündern. Das Multilaterale Abkommen über Investitionen (MAI),
Globalisierung der Konzernherrschaft und was wir dagegen tun können, EVA /
Rotbuch, Hamburg 1998
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Mies, Maria / Vandana Shiva: Ökofeminismus. Beiträge zur
Praxis und Theorie, Rotpunkt, Zürich 1995
·
Mies,
Maria: Globalisierung von unten. Der neue Kampf gegen die
wirtschaftliche Ungleichheit, Rotbuch, Hamburg 2001
1. Lassen
Sie sich patentieren
denn Sie sind ein Kapital.
Ihre Leber, Ihre Nieren
Ihre Gene allzumal
lassen Sie sich patentieren
denn es gibt Sie nur einmal
eh die Multis Sie sezieren
haben Sie die erste Wahl.
2. Gene,
Gene und Patente
ja, das ist der neuste Hit.
Ja, das bringt die beste Rente.
Machen Sie beim Reibach mit.
Was da kreucht und fleucht auf Erden
was da blüht auf dieser Welt -
alles muss zur Ware werden.
Alle Ware wird zu Geld.
3. Merck,
Monsanto, Ciba Geigy
Hoechst und Bayer machen mit
bei der Jagd auf die Patente
bei dem Run auf den Profit.
Diese großen neuen Mütter
schaffen Nahrung, heilen Schmerz.
Wenn nur die Bilanzen stimmen
brauchen sie kein Menschenherz.
4. Dieses
schöne neue Leben
bringt nicht die Natur hervor.
Kinder schaffen nicht mehr Frauen
die entstehen im Labor
die Natur wird überflüssig
hier in diesem Jammertal.
Unsre Mutter ist die Technik
Vater ist Herr Kapital.
5. Denn
was ist denn schon ein Leben
in dem ew'gen Einerlei.
Doch Ihr Gen das lebt ja ewig
ist es erst vom Körper frei.
Freiheit, die das Gen bescheret,
frisch auf Ihrer Samenbank
Wo es dann den Fortschritt mehret
sagen wir den Multis Dank.
Maria Mies, Köln 1996
©
Common Intellectual Property of People with Resistance Genes (CIPPRG).
Zu singen auf die Melodie: Freude schöner
Götterfunken